Seit 2009 befinden wir uns in einem Bullenmarkt mit ständig steigenden Kursen. Seitdem gab es auch keine größeren Korrekturen, wo die Kurse in einem Jahr mal mehr als 20 % abgesackt sind. In der Zeit des Bullenmarktes von 2009 bis jetzt sind allerdings viele Neuinvestoren in den Aktienmarkt eingestiegen, die auch noch nie einen richtigen Crash wie 2000/2001 oder 2008/2009 erlebt haben. Ich selbst bin ja auch erst seit knapp 1,5 Jahren an der Börse aktiv und habe daher bisher nur steigende Kurse erlebt. In solchen Zeiten ist es natürlich leicht seine Investments zu halten und immer weiter zu investieren. So wandert in Zeiten von Krisen nach dem Ei des Kostolanys aus „Die Kunst über Geld nachzudenken*“ häufig das Geld von den unerfahreneren Zittrigen zu den erfahrenen Hartgesottenen.
Damit wir zu den Hartgesottenen werden, möchte ich in dieser kleinen Artikelserie erfahrene Investoren, die bereits mindestens einen Crash mitgemacht haben, zu ihren Erfahrungen und Learnings aus dieser Zeit interviewen.
Stell Dich doch bitte meinen Lesern kurz vor:
Albert Warnecke, Jahrgang 1966, ist Ingenieur, Rheinländer, trinkt lieber Bier statt Wein, ist bald 25 Jahre verheiratet, hat drei Kinder, ist vielseitig interessiert und seit 20 Jahren an der Börse aktiv. Eine formale Ausbildung als BWLer oder Banker kann er zwar nicht vorweisen, wohl aber eine Menge Lebenserfahrung und Fehltritte in Finanzdingen. Er kümmert sich seit rund zehn Jahren erfolgreich selbst um die Familienfinanzen und möchte sein Wissen in diesem Buch mit Ihnen teilen. Begonnen hat alles Anfang 2014 mit seinem Blog „Der Finanzwesir„. Im November 2015 kam der Podcast „Der Finanzwesir rockt“ dazu.
Auch außerhalb seines Blogs sind Albert Warneckes Texte gefragt. Seit zwei Jahren schreibt er unter anderem regelmäßig für das Geld-Magazin der „ZEIT“ sowie für „ZEIT Online„. Auch die Redaktion des „STERN“ bezeichnet ihn mittlerweile als Geld-Experten.
Seit wann bist Du an der Börse aktiv? Was waren die ersten Erfahrungen mit der Börse und Deine ersten Aktien?
Das war Ende der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts. An die ersten Aktien kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich glaube Caterpillar war dabei, BASF und Thyssen auch. Dann haben wir recht schnell mit aktven Fonds angefangen (Templeton, Fidelity, Magellan).
Ich war einer der ersten Kunden des damals frisch gegründeten Online-Brokers Consors. Ich habe also meine Börsianerkarriere direkt online begonnen und war nie bei einer Fillialbank.
Viele Neuinvestoren sind so jung, dass sie den Bankencrash und die Pleite von Lehman-Brothers gar nicht so aktiv mitbekommen haben. Wie kann ich mir als Junginvestor die Zeit des Aktiencrashs vorstellen (z.B. Nachrichten)? Welche Auswirkungen waren zu sehen?
Ich habe zwei Krisen mitgemacht. Zum einen der Dotcom-Chrash um die Jahrhundertwende und dann die Subprime-Krise 2007 / 2008.
Krisenzeiten sind glückliche Zeiten für Journalisten. Wie Dementoren leben sie von Leid und Verzweiflung und schütten deshalb immer mehr Öl ins Feuer. Jeder versucht seine Quote nach oben zu treiben und gegenseitig übertrumpfen sie sich mit immer wilderen Krisenszenarien.
Sie wissen genauso wenig wie Du und ich, tragen dieses Nichtwissen aber im Brustton der Überzeugung vor. So macht man die Pferde scheu.
Bist Du von der Krise überrascht worden und wie hast Du dann gehandelt?
Wäre ich nicht überrascht worden, wäre es keine Krise. Das einzige, was man dann tun kann und tun muss ist eine strikte Mediendiät halten. Nichts zerstört die Rendite mehr als ein ARD-Börsenbrennpunkt. Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen durch diesen ganzen Qualitätsjournalismus so verrückt gemacht wurden, dass sie verkauft haben.
Wie der alte Kostolany schon sagte: An der Börse sind 4 + 4 = 5 – 1. Wer die minus eins nicht aushält macht nie Rendite. Aber man muss die minus eins nicht zu einer MINUS EINS machen, indem man sich stündlich Krisenmeldungen reinzieht.
In Zeiten von steigenden Aktienmärkten ist es ziemlich leicht eine Buy-and-Hold-Strategie zu verfolgen und ganz rational zu handeln. Welchen Einfluss hatten bei Dir die Emotionen in dieser Zeit? Konntest Du (noch) rational handeln?
Keine Emotionen, ich hatte ja einen Plan an den ich geglaubt habe. Klarer Plan, guter Plan und dann Ohren zu. Fürs Aussitzen braucht man nicht viel Rationalität nur ein wenig träge Masse.
Aber der Plan an den man glaubt ist ein absolutes Must-have.
Wenn Du nochmal in die Zeit von damals zurückreisen könntest, würdest Du dann anders handeln oder anders mit der Situation umgehen?
Ich hätte von Anfang an die blödsinnige Stockpickerei sein lassen sollen und gleich in breit diversifizierende Fonds investieren sollen. Das Problem: Vor 20 Jahren gabe es schon ETFs. Die kamen aber in den Finanzpublikationen nicht vor und sie wurden einem auch vom Finanzestablishment nicht angeboten.
Was mein Verhalten im Crash angeht, würde ich sagen: Das Buy war wie oben geschrieben nicht so toll, aber das Hold war vorbildlich.
Welche Tipps kannst Du an die Investoren geben, die noch nie einen Crash erlebt haben?
Es kann echt schlimm werden (minus 50 Prozent oder mehr) aber es ist nie so schlimm, wie es die Medien prognistizieren.
Der Mensch neigt dazu die aktuelle Entwicklung einfach linear in die Zukunft forzuschreiben. Das bedeutet:
- In guten Jahren wachsen die Bäume angeblich in den Himmel. Das klassische „In diesem Boom ist alles anders“. Ist es nicht. Das führt direkt in die Krise.
- In der Krise wird die Abwärtsbewegung bis ins tiefeste Loch fortgeschrieben und das „Ende der Aktie“ ausgerufen. Das Licht am Ende des Tunnels will keiner sehen, denn das wäre schädlich für die Auflage.
Es gibt an der Börse die Kraft, sie stets das Böse will und stets das Gute schafft. Man nennt sie Regression zum Mittelwert. Es ist die verläßlichste Kraft der Börse. Sie holt zwar Ikarus vom Himmel, hilft aber ebenfalls den Gestrauchtelten wieder auf die Beine.
Das Ganze funktioniert aber nur, wenn man seine Risikotragfähigkeit richtig eingeschätzt hat. Wer als junger Wilder zuviel vom Risiko abgebissen hat, kann sich ganz furchtbar verschlucken. Abgerechnet wird am Ende. Wer vor Angst verkauft, hat schon verloren. Dann lieber „nur“ 10 % Aktienanteil und damit sauber durch die Krise kommen.
Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview genommen hast. Ich denke, dass alle jüngeren Investoren von Deinen Erfahrungen im Crash profitieren können und dann eventuell leichter dadurch kommen.
Wenn Du die letzten Crashinterviews verpasst hast, dann schau unbedingt mal vorbei.
Alexander von Rente mit Dividende im Crashinterview
Alex von Reich mit Plan im Crashinterview
Vincent von freaky finance im Crashinterview
Super, danke für das tolle Interview. Mir gefällt der Vergleich mit den Dementoren. Ich stehe aber bei folgender Aussage auf dem Schlauch: 4 + 4 = 5 – 1 … Kann mir die jemand erklären bitte?! Ich bin fast schon froh, dass ich ein kleines Sümmchen (sehr klein) in Bitcoin investiert habe, da erlebe ich es zumindest ein bisschen wie so ein Crash sich anfühlt.
Ich beantworte das gern. Das bedeutet, dass es zwar an der Börse zwar grundsätzlich historisch gesehen nach oben geht (Addition), allerdings nicht linear sondern mit zwischenzeitlich auch empfindlichen Rücksätzerin („-1“). Manchmal auch ist 4 auch 8-4 🙂
Grüße, der Hensman
Dankeschön! Wie andere schon erwähnt haben, 2+2=5-1 oder 2×2=5-1 ist besser für das Verständnis.
Hallo Minimalist,
mir gefällt auch der Vergleich mit den Dementoren.
Da ist man gerade mal auf der Arbeit und dann erhältst Du von meinen Lesern schon genug Antworten.
Dann brauche ich ja nichts mehr zu schreiben.
Schöne Grüße
Dominik
Haha, ja Deine Leser sind vorbildlich.
Der Ausspruch Kostolanys ist schlicht falsch widergegeben. Die richtige Rechnung lautet 2 x 2 = 5 – 1. Sie soll auch nur verdeutlichen, dass es an der Börse nicht geradewegs zum Ziel geht, sondern man bspw. zeitweise darüber hinausschießt, aber eben auch immer wieder mit Rücksetzern leben muss.
Hallo Elmar,
vielen Dank für die Klarstellung.
Hatte das beim Korrekturlesen einfach übersehen.
Schöne Grüße
Dominik
@Minimalist: Der Schlauch kommt schnell wieder frei, das Zitat heißt: 2 + 2 = 5 – 1.
Danke anba! Jetzt fliessen die Gedanken wieder.
Schalke 04 – Audi Quattro – Der Finanzwesir meinte 2+2 = 5-1. 😉
Das Ergebnis an der Börse ist sehr langfristig schon seit 200 Jahren ca. 6,5% Rendite vor Steuer pro Jahr plus den jeweiligen Inflationsausgleich. Man muss zwischendurch nur das „Minus Eins“ aushalten
PS: Bitcoin ist kein Invest, sondern eine Spekulation (wir Tulpenzwiebeln im 17.ten Jahrhundert). Ein Invest hat einen regelmäßigen Cashflow wie Dividenden oder Mieteinnahmen. Eine reine Spekulation wie Bitcoin braucht immer den „nächsten Idioten“, der noch mehr dafür bezahlt, als man selbst.
Hallo Maschinist,
ich sehe es genauso wie Du, dass Krytpowährungen reinste Spekulation sind.
Auch bei einer Aktie ohne Dividende ist es von der Art her auch eher eine Spekulation.
Ich denke die meisten verwenden die Begrifflichkeiten nicht so differnziert oder sehe dort keinen großen Unterschied.
Schöne Grüße
Dominik
Sehr interessant mal wieder, denn alle 4 Interviews bringen etwas andere Perspektive in das Thema Crash. Hier war der Fokus mehr auf die „Qualität der Medien“. Je mehr Infos um so besser.
Genau deswegen mache ich das ganze auch.
Am meisten lerne ich selbst durch das interviewen und das recherchieren für Artikel.
Schöne Grüße
Dominik
Gute Idee für die Interview-Serie.
Ich habe zwar die Finanzkrise 2007-2009 mitgemacht und weiß auch wie sich anfühlt, allerding waren das die Anfänge meiner Investmentkarriere, sodass ich am Anfang wenig investiert war, darauf viel verloren habe, aber ordentlich nachschießen konnte.
Das würde ich mir eigentlich für mich auch wünschen, dass ichd as relativ zu Begin meiner Investmentkarriere habe, dann machen die Einzehlungen auch einen viel größeren Unterschied als bei einem riesigen Portfolio.
Gut, dass Du dabeigeblieben bist.
Schöne Grüße
Dominik